Pioniere/innen
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Thanisch, Katharina

* 1865 Bernkastel; † 1924 ebenda

Die deutsche Weinkultur wurde über Jahrhunderte von Männern geschrieben. Einzelne Ausnahmen, wie z. B. Hildegard von Bingen, änderten an dieser Schieflage nichts. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute haben wir selbstbewusste, erfolgreiche Frauen in der Weinbranche, VINISSIMA hat dabei viele Impulse gegeben. Vor gut hundert Jahren war es die absolute Ausnahme, dass eine Frau ein Weingut führte. Und wenn, dann war es quasi eine Übergangslösung, weil der Ehemann so früh starb, dass ein Sohn noch nicht soweit war, um die Betriebsleitung zu übernehmen. Die Frau, die wir heute vorstellen, war auch in den gesellschaftlichen Zwängen ihrer Zeit eingebunden, hatte aber den Mut, sich als Frau in dieser Weinmännerwelt zu behaupten und ein lukratives Angebot der Betriebsübernahme auszuschlagen. Doch der Reihe nach:

Katharina Thanisch entstammte der alten Bernkasteler Familie Liell, die ebenfalls dem Weinbau verbunden war. 1883, mit 19 Jahren, heiratete sie Dr. Hugo Thanisch (1853 – 1895). Wie nicht nur an der Mosel damals üblich, heiratete man „Stöck bei Stöck“. Im Jahr der Eheschließung machten sich Hugo Thanisch und seine Frau Katharina daran, ein neues repräsentatives Haus für Familie und für ihr Weingut zu errichten. Die „Villa Thanisch“, die den Erfolg der jungen Weingutsbesitzer widerspiegelt, wurde vom Frankfurter Stararchitekten Theodor Schmitt konzipiert, mit Schieferstein am Kueser Moselufer erbaut und im Stil der Neorenaissance reich mit Sandsteinornamenten verziert.

Das erfolgreiche Paar hatte drei Kinder. Das gemeinsame Glück fand aber ein jähes Ende, als Hugo 1895 im Alter von nur 42 Jahren an einem Herzschlag starb. Katharina war zu diesem Zeitpunkt gerade 30 Jahre, ihre Kinder Walter 9, Victor 7 und Margarete 4 Jahre alt. Sie stand vor der Frage, ob sie neben der Erziehung ihrer Kinder und der Führung des großbürgerlichen Haushalts auch noch die Leitung des Weinguts übernehmen sollte. Sie entschied sich dafür, das Lebenswerk ihres Ehemannes fortzusetzen, und schlug daher ein verlockendes Angebot der Fa. Henkell aus Mainz aus. Über Vermittler waren ihr eine Million Goldmark für ihren Anteil am Berncasteler Doctor geboten worden, wie sie ihren Kindern und Enkeln berichtete. Aufzeichnungen der Fa. Wegeler bestätigen dies. Die energische junge Frau entschied sich, das Weingut nicht unter ihrem Namen „Katharina Thanisch“, sondern unter dem Namen „Wwe. Dr. H. Thanisch“ weiterzuführen; sie wollte wohl kaum dem maskulinem Zeitgeist frönen, sondern das Gedenken an ihren Ehemann aufrechterhalten. Dieser Firmenname wurde 1901 mit einem neuen, patentrechtlich geschützten Etikett eingeführt. Es ist im reinen Jugendstil gestaltet und zeigt neben der Ansicht von Bernkastel die Villa Thanisch und den Doctor-Weinberg. Trotz aller Modernisierungstendenzen wird das Etikett noch heute unverändert verwendet, also seit 120 Jahren.

Katharina hatte Ambitionen und Erfolg gleichermaßen. Die Versteigerungsprotokolle aus dem Zeitraum von 1893 bis 1908 belegen, dass ihr Weingut für insgesamt 159 Fuder mit einem Durchschnittspreis von 4.275 Goldmark pro Fuder die höchsten Erlöse aller Weingüter an Mosel, Saar und Ruwer erzielte. Umgerechnet auf die heutige Kaufkraft ergeben sich je nach Rechenmodell Werte von 77.000 bis 200.000 Euro pro Fuder. Wie auch immer man rechnet: Jede Versteigerung brachte ein respektables Vermögen, was man an den Villen der Weingutsbesitzer noch heute ablesen kann. Kein Wunder, dass Katharina bei derartigen Versteigerungserfolgen 1910 die Gründung des „Verbands Deutscher Naturweinversteigerer“, dem Vorläufer des VDP, unterstützte.

Der 1. Weltkrieg und seine Folgen (Absatzkrise, Inflation etc.) belasteten auch ihre Familie und ihr Weingut. Katharinas Sohn Victor erlitt eine schwere Kriegsverletzung durch Giftgas. Die Familie verlor vorübergehend ihre Villa Thanisch, die während der Besatzung zum Sitz der französischen Kommandantur wurde. Ein Lichtblick war das Weinjahr 1921, ein echter Jahrhundertjahrgang. Er brachte dem Weingut eine Trockenbeerenauslese mit 241 Grad Oechsle, das höchste bis dahin an der Mosel gemessene Mostgewicht. Der Wein kam aber vorerst nicht zur Versteigerung, sondern wurde auf Flaschen abgefüllt, da Katharina wegen der galoppierenden Inflation diesen Schatz nicht verschleudern wollte. Eine kluge Entscheidung, wie die kommenden Jahre zeigen sollten!

Eine Art Alleinstellungsmerkmal für das VDP-Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch ist die weibliche Tradition, die Katharina 1895 begründete. Sohn Victor hatte 1920 Sofie Thanisch geheiratet, die ebenfalls Weinberge mit in die Ehe gebracht hatte und mit ihm gemeinsam das Weingut führte. Nach seinem Tod 1952 stieg Tochter Mechthild in die Geschäftsführung ein. Diese übergab 1996 die Leitung an ihre Nichte Sofia, die bis heute das Weingut führt. Seit drei Jahren ist Tochter Christina in dem Traditionsweingut beschäftigt und bereitet sich auf die Übernahme der Verantwortung vor. Sie ist die 12. Generation in dem seit 1636 urkundlich nachgewiesenen Familienweingut und die 5. weibliche, eine Tradition, für die Katharina den Grundstock gelegt hatte.

Quelle: Inhalt und Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Fr. Sofia Thanisch, Bernkastel-Kues

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