Pioniere/innen
A - Z

Neßler, Julius

* 6. Juni 1827 Kehl; † 19. März 1905 Durlach

Julius Neßler kam als Sohn des Konditors Karl August Neßler und seiner Ehefrau Luise Salome in Kehl (Baden) zur Welt.

Nach der Volksschule in Kehl besuchte er die Bürgerschule. Dann begann er eine kurze Apothekerlehre, wechselte zu einer Mechanikerlehre, war dann aber wieder als Pharmazeut in verschiedenen Apotheken in Deutschland und Frankreich tätig. Ab 1853 studierte er Pharmazie, Mineralogie, Botanik und Chemie.

1856 wurde er mit einer exzellenten Dissertationsarbeit (Neßlers Reagenz) promoviert. Die Agrikulturchemie und Weinanalytik wurde sein berufliches Hauptarbeitsfeld. 1870 wurde er zum Professor ernannt. Sein eigenes Haus wurde zur "Agrikulturchemischen Versuchsstation" in Karlsruhe, die ab 1890 "Landwirtschaftlich-chemische Versuchsanstalt" hieß. Er war der erste Direktor der Anstalt in Karlsruhe.

Sein Wissen und seine Erfahrungen über den Weinbau und Wein legte er in seinem Handbuch "Bereitung, Pflege und Untersuchung des Weines" nieder. Er veröffentlichte mehrere hundert Fachartikel und war ein gefragter Referent auf Tagungen, insbesondere auch auf den Wanderveranstaltungen der Önologen und auf den Weinbaukongressen ab 1874 bis 1897.

Was veranlasst die DWA, ihn zu den Pionieren der deutschen Weinkultur zu zählen?
Neßler setzte sich intensiv mit den Weininhaltsstoffen sowie mit den Verfahren der Weinherstellung auseinander und untersuchte deren Einfluss auf den Geschmack des Weines und die gesundheitlichen Wirkungen.

So beschäftigte er sich intensiv mit der Gärung und der Kohlensäure („Neßlers Gärröhrchen“) und äußerte sich unter anderem dazu folgendermaßen:

„Viel besser wäre es, für einen gewissen Gehalt an Kohlensäure als für zu hohen Gehalt an Weingeist im Wein zu sorgen. […] Bier, kohlensäurehaltige Obstweine und Wasser sind gesucht, weil sie mehr erfrischen und gesünder sind als zu starke Weine.“ (Neßler 1898, S. 193)

An einer anderen Stelle wiederholte er die Aussage mit einem deutlicheren gesundheitlichen Aspekt: „In Beziehung auf die Gesundheit der Konsumenten ist es ein Unglück, wenn man mehr und mehr nur starke Weine in den Handel bringt. Viel besser wäre es, für einen gewissen Gehalt an Kohlensäure als für zu hohen Gehalt an Weingeist im Wein zu sorgen.“ (Neßler 1895, S. 662).

Neßler entwickelte als praxisorientierter Forscher und Analytiker das notwendige Verständnis für das Naturprodukt Wein und erkannte dessen Komplexität. In vielerlei Hinsicht war er seiner Zeit weit voraus. Die Beurteilung von Weinen erforderte nach seiner Auffassung nicht nur die Untersuchung der Einzelbestandteile sondern insbesondere die Resultate ihres Zusammenwirkens. So erkannte er beispielsweise, dass Alkohol- und Säurekonzentrationen sich gegenseitig beeinflussen, nicht zuletzt in der geschmacklichen Wahrnehmung der Säure.

Gallisierung/Chaptalisierung des Weins
Zu seiner Zeit wurde die Auseinandersetzung um die „Weinfabrication“, also um die Gallisierung oder Chaptalisierung der Weine, zwischen Puristen und Pragmatikern in aller Härte geführt. Er gehörte nicht zu den Scharfmachern, sondern suchte zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen. Hinsichtlich der angeblichen gesundheitlichen Gefahren gallisierter Weine stellte er nicht ohne Schalk im Nacken fest:  „Ich ließ, um Versuche anzustellen, sehr sauren Wein kommen und ließ ihn auch von einem Weinkenner und großen Feind von Gallisieren versuchen; erklärte, daß, wenn er davon trinken müßte, er krank würde, weil der Wein sauer wäre. Einige Monate später trank derselbe Weinkenner sehr viel von diesem gallisierten Wein, in der Meinung es wäre ein anderer Wein, und sagte den anderen Tag, er befinde sich sehr wohl, da dies nur daher komme, daß der Wein rein war; von gallisierten Wein bekomme er Kopfweh, wenn er nur ein Glas trinke.“ (Neßler 1866, S. 287-288).

Neßler setzte sich dafür ein, dass vornehmlich einheimische Weine medizinisch verwendet wurden. So schrieb er zu den „Weinen für Kranke und Wiedergenesende“: „Es wird oft darüber gestritten, welche Weine sich am besten für diesen Zweck eignen. Sie […] dürfen nicht zu reich und nicht zu arm an Weingeist und Säure, müssen aber möglichst haltbar sein. […] Nach all diesen Richtungen hin kann man wohl sagen, dass die besseren Ortenauer, Bergsträßer, Kaiserstühler und Breisgauer Rothweine, Clevner, Weißherbst und Ruländer sich für Kranke und Wiedergenesende vorzüglich eignen.“ (Neßler 1896, S. 28-29).

 

Quellen:
  • Neßler, Julius: Über Verbessern des Weines. In: Wochenblatt des badischen Landwirtschaftlichen Vereins 39 (1866 ), S. 285–288
     
  • Neßler, Julius: Ursache des Krankwerdens der Weine. In: Wochenblatt des badischen Landwirtschaftlichen Vereins 38 (1895), S. 659–662
     
  • Neßler, Julius: Die Weine Badens nebst Beurtheilung der Weine überhaupt und für Kranke und Wiedergenesende im Besonderen und Behandlung derselben im Privat- und Wirthskeller. Karlsruhe 1896
     
  • Neßler, Julius: Die Bereitung, Pflege und Unterhaltung des Weines besonders für Winzer, Weinhändler und Wirte. Siebente vermehrte Auflage mit einem Anhang, Stuttgart 1898
     
  • Troost, Gerhard: Neßler, Julius (1827-1905). In: Persönlichkeiten der Weinkultur (www.geschichte-des-weines.de/ aufgerufen am 24.1.2022)

Diese Webseite verwendet Cookies.

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren. Diese Cookies helfen uns dabei, Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten und unsere Webseite ständig zu verbessern. Mit dem Klick auf den Button “Akzeptieren” erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Für weitere Informationen über die Nutzung von Cookies oder für die Änderung Ihrer Einstellungen klicken Sie bitte auf “Details”.

Außerdem geben wir mit Ihrer Zustimmung Informationen an unsere Partner für Soziale Netzwerke, externe Medien, Werbung und Analysen weiter. Unsere Partner führen diese Informationen möglicherweise mit weiteren Daten zusammen, die Sie ihnen bereitgestellt haben oder die sie im Rahmen Ihrer Nutzung der Dienste gesammelt haben.

Sie geben Ihre Einwilligung, wenn Sie unsere Webseite weiterhin nutzen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte unserem Datenschutz.

Impressum