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Weinkulturelle Aspekte - April

Weinkultur – was ist, was war das?
Wenn wir heute von Weinkultur sprechen, dann denken wir – zumindest in der Deutschen Weinakademie – vor allem an einen zivilisierten, verantwortungsbewussten Umgang mit dem Wein.

Wenn wir heute von Weinkultur sprechen, dann denken wir – zumindest in der Deutschen Weinakademie – vor allem an einen zivilisierten, verantwortungsbewussten Umgang mit dem Wein. Wir betrachten unmäßiges Betrinken, um nicht Saufen zu sagen, als kulturelle Schande. Viele von uns werden auch an spezielle Gelegenheiten eines kulturellen Weingenusses denken, sei es im Rahmen eines stilvollen Essens oder bei besonderen Veranstaltungen. Zum kulturellen Weingenuss kann auch eine entsprechende Umgebung, ein traditioneller Weinkeller, eine moderne Vinothek, eine lauschige Weinkneipe oder eine hippe Weinbar gehören. Weinkultur ist für andere Weinfreunde mit speziellen Accessoires verbunden, Weingläser aus den verschiedenen Jahrhunderten sind Zeugen der Weinkultur der jeweiligen Zeit. Sicher gibt es auch welche, die bei Weinkultur vor allem Literatur, vinophile Erzählungen, Gedichte, Lieder oder Anekdoten vor Augen haben. Und manch einer verbindet mit Weinkultur Architektur und schöne Künste, faszinierende Gemälde, filigrane Lithographien oder auch unvergessliche Filme oder Fotografien von Weinlandschaften, Winzern und Weingenießern.

Erst die Arbeit - dann das Vergnügen
Weinkultur scheint eine Dimension des Endproduktes, nicht seiner Herstellung zu sein. Dies scheint sich auch bei einem Blick in die – nach eigenen Angaben – aktuell „weltweit größte Weinwissen-Datenbank“, das wein.plus Lexikon zu bestätigen. Gibt man dort Weinkultur ein, dann wird man auf die Stichworte Antike Weine, Trinkkultur und Weingenuss weiter verwiesen. Die Weinkultur scheint zumindest im deutschen Sprachraum nicht im Weinberg zu beginnen. Anders bei den mediterranen Sprachen: Im Französischen heißt es viticulture, im Spanischen viticultura, im Italienischen viticoltura, ja sogar im Englischen heißt es viticulture, wenn wir im Deutschen von Weinbau sprechen.

Die Frage liegt nahe, ob das schon immer so war. Bereits im 16. Jahrhundert finden wir den Gebrauch des Begriffes Weinbau für den Anbau von Reben. So zum Beispiel bei Johann Rausch (1540­­–1612) in seinem Weinbuch Von Baw, Pfleg und Brauch des Weins, das  etwa 1580 veröffentlicht wurde. Ab dem späten 18. Jahrhundert finden wir parallel dazu die Verwendung des Begriffes Weinkultur. Zu den frühesten Belegen zählt das Hamburgische Magazin, oder gesammelte Schriften, aus der Naturforschung und den angenehmen Wissenschaften überhaupt aus dem Jahr 1757. Dort wurde berichtet, dass die Weinkultur flächenmäßig in vielen Ländern ausgedehnt wurde und die Unkosten der Weinkultur, gemeint sind die Produktionskosten, gestiegen sind. Aus dem Zeitraum 1750 bis 1780 liegen mehrere Belege vor, dass Weinkultur im Sinne von Rebenanbau/Weinbau benutzt wurde.

Kultur – dieses komplexe Ganze
Dass erst ab dieser Zeit der Begriff Weinkultur verwendet wird, verwundert nicht. Denn Kultur ist ein junger Begriff in der deutschen Sprache. In Johann Heinrich Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste (1732–1754), der umfangreichsten Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts, war dieser Begriff nicht enthalten, fast nicht enthalten. Nur ein kurzer Eintrag erklärt, was Vineae cultura bedeutet: „Die Pfleg und Wartung eines Weinbergs.“  Erst ab den 1780er Jahren ist das Wort Kultur als Beschreibung von einem vorbildlichen menschlichen Verhalten nachweisbar. Friedrich Schiller war einer der Ersten, der den Begriff Kultur in diesem Sinne benutzte und in einen engen Zusammenhang mit Bildung setzte. Als Vater des deutschen Kulturbegriffes wird vor allem Johann Gottfried Herder (1744-1803) angesehen, der Kultur als „jenes komplexe Ganze, welches Wissen, Glaube, Kunst, Moral, Recht, Sitte und Brauch und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfaßt, die der Mensch als Mitglied der Gesellschaft erworben hat“ bezeichnete.

Ungeachtet dieser neuen sozial- und bildungsorientierten Verwendung des Kulturbegriffs in der deutschen Sprache, wurde der Begriff Weinkultur als Synonym für Weinbau über einige Jahrzehnte hinweg, zumindest bis Anfang des 20. Jahrhunderts hier und da weiter benutzt. So gab es Anfang des 19. Jahrhunderts sogar einen Verein zur Förderung der Weinkultur an Mosel und Saar zu Trier, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den Bau des Rebstocks an Mosel und Saar zu vervollkommnen, und das Product desselben zu veredeln. Weinkultur als Synonym für Weinbau wurde in den 1920er Jahren noch häufig verwendet, Bassermann-Jordan jedoch verzichtete ihn in seinem Standardwerk der Weingeschichte darauf. Der Begriff verschwand auch nicht völlig aus unserem Sprachgebrauch, wie der Terminus Weinkulturlandschaft beispielhaft zeigt.

Kultur des Weingenießens
Aber wann entwickelte sich der andere Weinkultur-Begriff, der mehr das Endprodukt und dessen Konsum im Blick hat? In dem berühmten Weinbuch von Wilhelm Hamm (Ausgabe 1874) wird über 80mal der Begriff Weinkultur verwendet, fast immer als Synonym für Weinbau. Aber an zumindest zwei Stellen deutet sich eine Begriffserweiterung an: Den Weinvölkern ist eine gewisse Sittenleichtigkeit nicht abzusprechen, und Weincultur und Bildung gehen bekanntlich keineswegs Hand in Hand. Und an anderer Stelle heißt es: Die große Wichtigkeit, welche das Alterthum der Weincultur beilegte, geht schon aus den vielen ihr gewidmeten Festlichkeiten hervor.

Machen wir einen zeitlichen Sprung: 1954 wurde der Deutsche Weinkulturpreis auf Anregung zahlreicher Schriftsteller und Künstler zur Anerkennung von Verdiensten im Bereich der Weinkultur gestiftet. Im Stiftungsbeschluss wurde festgelegt, dass der Deutsche Weinkulturpreis verliehen werden soll für die beispielhafte und unmittelbare Gestaltung von Kunstwerken aller Art, die geeignet sind, den deutschen Wein als Kulturgut und Quelle der Freude und Gesundheit zu preisen, oder für die schlichte und überzeugende Präsentation und Interpretation weinkultureller Kunstwerke an einen möglichst breiten Kreis Interessierter. Hier war von einer Boden- und Anbaukultur keine Rede mehr.

Die Gesellschaft für die Geschichte des Weines publizierte 1979 eine Schrift Variatio delectat. Darin enthalten ist ein Beitrag Weinkultur – was ist das? von Prof. Dr. Hans-Jörg Koch. Anlass für seinen Vortrag war seine Auszeichnung mit dem Deutschen Weinkulturpreis 1976. Koch beschäftigte sich ernsthaft und humorvoll zugleich mit dem Kulturbegriff. Dabei gab er eine Definition der Weinkultur, die auch heute noch ein wichtiger Aspekt für die Deutsche Weinakademie ist: Nicht nur, wozu Weingenießen animiert, kann Kultur sein – es gibt auch eine Kultur des Weingenießens selbst. Und wir ergänzen: - die es ohne Kultur des Anbaus im Weinberg nicht gäbe

Autor: Dr. Rudolf Nickenig, Remagen

 

Erstellt am
Weinkulturelle Aspekte 2023

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