Pioniere/innen
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Fritz, Ulrich

* 1888 in Schwaikheim;
† 1969 in Stuttgart-Sillenbach

Ulrich Fritz ist ein markantes Beispiel für Pioniere der Weinkultur, deren Leben große Herausforderungen beinhaltete und denen der Wein Kraft gab zu überleben und dem Leben einen neuen Sinn zu geben. Er wuchs als neuntes von zehn Kindern einer Arbeiterfamilie in Schwaikheim bei Winnenden (Württemberg) auf.Er absolvierte eine Schriftsetzer- und Druckerlehre und arbeitete nach Stationen in Stuttgart und Reutlingen ab 1912 als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Neckar-Echo in Heilbronn.

In Reutlingen hatte er Berta, Tochter eines Weingärtners, kennengelernt, die er 1913 heiratete. 1907 trat er in die SPD ein, 1919 zog er als Heilbronner SPD-Abgeordneter in die Verfassunggebende Landesversammlung Württemberg-Hohenzollern ein und wurde bei allen folgenden Landtagswahlen wiedergewählt. Von 1928 bis 1932 war er Vorsitzender der Landtagsfraktion, 1930 bis 1933 darüber hinaus Abgeordneter des Deutschen Reichstags. Er widersetzte sich massiv der erstarkenden NSDAP. Nach der Machtergreifung Hitlers wurde er massiv unter Druck gesetzt, mehrfach verhaftet, verlor seine Stelle als Redakteur und sein Mandat. Von April bis November 1933 saß er in Schutzhaft im KZ Heuberg.

Es gibt viele Gründe ihn in den Kreis der DWA-Pioniere der Weinkultur aufzunehmen!
Vorsorglich hatte seine Ehefrau bereits 1932 einen Weinberg am Heilbronner Wartberg erworben. Seiner beruflichen Grundlage beraubt, baute Ulrich sich nach der Haftentlassung eine neue Existenz als Weingärtner und Besenwirt auf. Er pflanzte Reben, u.a. Riesling, und konnte „von Jahr zu Jahr steigende Weinmengen von guter Qualität erzeugen und absetzen“. Aushänge, mit denen er für den Ausschank in seiner Besenwirtschaft warb, unterschrieb er mit „Fritz Ulrich, früher Redakteur, jetzt Weingärtner“. Hier trafen sich seine Parteifreunde, um bei einem Viertele Ulrichsteiner, wie seine Freunde das Gewächs liebevoll nannten, um politische Gespräche zu führen. Vermutlich blieb den Nazis dies nicht verborgen und 1938 wurde ihm der Ausschank untersagt. Bis 1943 konnte er seinen selbst erzeugten Wein noch verkaufen. Die alten Verbündeten trafen sich nun in der Abgeschiedenheit seines Weinberghäuschens. 1944 wurde Ulrich erneut verhaftet und für vier Monate ins KZ Dachau verschleppt.

Im November 1944 kehrte er als körperlich und seelisch schwer gezeichneter Mann zurück. Einen Monat später wurde sein Haus in Heilbronn im Bombenhagel zerstört. Wenige Wochen später fiel sein 22 Jahre alter Sohn Hermann an der Front. Als ihn die amerikanische Militärregierung 1945 für ein Amt in der neuen Landesverwaltung gewinnen wollte, zögerte der „1000jährige Wengerter“, wie er sich selbst bezeichnete. Er sei während des Naziregimes politisch sauber geblieben. Das wolle er auch fernerhin so halten, schrieb er an die Militärregierung, er wolle „lieber ein namenloser und bescheidener Winzer bleiben, als Chef eines glanzvollen Amtes mit für mich unerträglichen Gewissenbelastungen zu werden“. Dennoch übernahm er kurze Zeit später das Amt des Landesdirektors und wurde Innenminister, zunächst von Württemberg-Baden, und nach der Bildung des Südweststaats 1952 von ganz Baden-Württemberg. Das Amt des Innenministers bekleidete er bis 1956, Landtagsabgeordneter blieb er bis 1968.

Beliebter Erzähler von Gôgenwitzen – einer herzhaften Weinkultur
Der Mann mit Spitzbart und Zigarre verstand es stets, Auseinandersetzungen mit seinem allgegenwärtigen Humor zu entschärfen und erfreute in geselliger Runde seine Zuhörer mit den (recht herben) Gôgenwitzen (Gôge= Tübinger Weingärtner). Gern erzählte er die Anekdote vom Reutlinger Wein, der weithin für seine Säure bekannt war und von dem seine Frau ein Fass als Teil ihrer Aussteuer mit in die Ehe gebracht hatte:

Seit ich den probiert habe, weiß ich, woher das Wort Mitgift kommt.

Als Redner auf Weinfesten trat er so vehement für die Weinkultur ein, dass er sich 1951 gar eine Beschwerde der Vertriebsfirma von Coca-Cola einhandelte, die sich, nachdem Ulrich sich dazu hatte hinreißen lassen, von einer Coca-Cola-Seuche zu sprechen, entschieden dagegen verwahrte, „dass Sie in Ihrer amtlichen Eigenschaft zum Kampf gegen unser Erzeugnis aufrufen“. Unser Weinkulturpionier überstand auch dieses Scharmützel.

Wer mehr über Ulrich Fritz erfahren will, dem empfehlen wir:

Quellen
  • Dr. Krämer, Christine: Biographien der Gesellschaft für Geschichte des Weines

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